In der vergangenen Woche besuchte ich einen Event in meiner Hood, in Hamburg. Nein, kein Webinar. Ich nutze immer wieder die Möglichkeit, auf Roadshows mir einen Eindruck zu verschaffen, was dieses Format so begehrt bei den Marketingentscheidern macht. Und ich stelle immer wieder – Besuchern und Veranstaltern – die Frage: Wie halten Sie es mit Webinaren? Ob Webinar oder Roadshow. Beide Formate haben ihre Fans und ihre Gegner. Was spricht für das digitale Veranstaltungsformat, was für die anfassbare Variante?
Willkommen Herr Puscher. Wo der Kaffeevollautomat über den ersten Eindruck entscheidet.
Zugegeben, der Event in Hamburg war schon prima organisiert. Ausreichend Parkplätze, die auch nur drei Euro die Stunde kosteten. Eine zuvorkommende Begrüßung durch das Empfangspersonal. Das vorbereitete, obligatorische Namensschild, das ich mir umhängen durfte. Das Programm des Tages, das mir ausgehändigt wurde. Alles vorzüglich. Auch der Kaffee in der Eventlobby kam nicht aus überdimensionierten 2-Liter-Thermoskannen, sondern wurde von einem Kaffeevollautomaten mit einer vorzüglichen Crema frisch gebrüht. Zwei Gesichter erschienen mir vertraut. „Ah, Herr (schnell auf das Namensschild gelugt) Müller, lange nicht mehr gesehen.“ Smalltalk. Wie laufen die Geschäfte? Wie war der Urlaub? Was machen die Kinder? Sind Sie schon mittendrin in der Digitalen Transformation?
Sie kennen das. Habe ich das bei einem Webinar eigentlich auch? Das Wiedererkennen von alten Geschäftsbekannten, die vorzügliche Crema des Kaffees? Ich gebe zu, der soziale Charakter von Roadshows ist beinahe unschlagbar. Wäre ich ein Event-Tourist, dieser Event hätte sich schon auf den ersten Metern gute Noten verdient.
Nur dabei oder mittendrin? Haben Sie noch Fragen?
Der inhaltliche Teil des Events beginnt. Gut gepolsterte Stühle. Vielleicht ein bißchen eng hier. Der linke Nachbar ist fröhlich und nett, der rechte eher muffelig. Die Show beginnt. Halt! Das ist keine Show. Nach der – zugegebenen – fröhlichen Begrüßung des Veranstalters geht es los mit dem ersten Fachvortrag. 30 Minuten. Slides, Slides, Slides. Vortrag vorbei. „Haben Sie noch Fragen?“ Jede Menge, denke ich mir, schaue mich um und erkenne: Von den rund 50 Anwesenden nimmt sich ein Mutiger das Recht heraus, eine Frage zu stellen. Die Antwort: Passt. Und weiter geht es. Nächster Fachvortrag.
Ja, das ist der normale Alltag einer Roadshow oder eines Events. Oh, eines war noch bemerkenswert. Im zweiten Vortrag stellte der Referent eine Frage an das Publikum: „Wer von Ihnen kann behaupten, dass Sie ihr Unternehmen schon bereit gemacht haben, für das digitale Zeitalter?“ Ich habe gezählt: 24 Hände schossen nach oben und signalisierten: „Ja, ich bin bereit!“ Mein erster Gedanke: Wie kann sich der Referent merken, wer von den aufzeigenden Persönlichkeiten zu den „We are ready“-Kollegen gehört? Nein, daran war er nicht wirklich interessiert, sondern nur an einem Gefühl für die Zielgruppe, die vor ihm im Sitzungssaal sitzt. Kann das ein Webinar besser lösen?
Ohne Kaffeeausschank, aber mit viel Gefühl. So geht Webinar!
Probieren wir es mal mit einer Aufzählung nach Aspekten, bei denen ein gut gemachtes Webinar gegen einen gut gemachten Event im Rennen um die Pole-Position antritt:
- Akzeptanz:
Events sind hoch akzeptiert. Sind begehrt, um Menschen persönlich zu begegnen. Verbrauchen aber viel Zeit für Anreise etc. Die Akzeptanz von Webinaren steigt zunehmend, ob der Einfachheit des Zugangs und der effizienten Teilnahmemöglichkeit. Dennoch 1:0 für Events. - No-Show-Rate:
Bei Events mittlerweile im Bereich von 30-50 Prozent. Webinare mit ihren optimierten Erinnerungen und der geringeren zeitlichen Beanspruchung verzeichnen eine No-Show-rate von ca. 20-30 Prozent. Aber die Nutzung der On-Demand-Version des Webinars lässt die Quote auf 10-20 Prozent schrumpfen. Ausgleich: 1:1. - Verköstigung:
Keine Frage. Das Event punktet mit frisch gebrühtem Kaffee, erlesenen Teesorten und Fingerfood vom Feinsten. Dem Webinar bleibt: Das was die Firma eben spendiert. Klarer Punktgewinn für die Events. 2:1 für Events. - Räumlichkeiten:
Prunkvolle Lokationen, freundlich bemühtes Personal. So kennen wir Events. Das Webinar? Findet da statt, wo Sie wollen. Zu Hause. Im Büro. Unterwegs auf dem Tablet. Gefühlt ein Punktgewinn für die Events. Es steht 3:1. - Kontaktfreude:
Bemessen Sie als Veranstalter eines Events den Erfolg nach der Anzahl des freundlichen Wiedersehens mit bekannten Gesichtern oder sind Sie scharf auf neue Kontakte, die Interessen an Ihren Themen und Botschaften haben? Wenn Sie frische und aufgeschlossene Kontakte suchen, dann punkten beide Formate. Es steht 4:2. - Persönlichkeit:
Jemanden in die Augen schauen – kann man bei einem Webinar auch. Beide Formate wollen: Wirkung zeigen und Kontake ermöglichen. Würde es Sie wundern, wenn ich Ihnen sage, dass ich nach einem Webinar mehr Kontaktanfragen über XING und Linkedin erhalte, als ich Visitenkarten auf einem Event ausgebe. Also Punkt für beide. 5:3. - Interaktion:
Webinare leben von der Interaktion. Mit Umfragen. Im Chat. Durch rege Kommunikation. Die Interaktion in einer Stunde Webinar, gemessen an der Anzahl der verschiedenen Kontakte und Impulse wird – meiner Meinung nach – selten in einem ganztägigen Event erreicht. Klarer Punktgewinn für Webinare. 5:4. - Merkfähigkeit:
Ich bitte die Teilnehmer eines Events durch Handzeichen zu verdeutlichen, wer im nächsten Jahr, mehr als 100.000,00 Euro in die eigene Digitale Transformation investieren will. Haben Sie sich die Hände und die Personen gemerkt? In einem Webianr merkt sich das System automatisch die Ergebnisse einer Umfrage. Ausgleich. 5:5. - Data-Enrichment:
Wenn Sie auf einem Event einen Feedbackbogen auslegen und er von den Teilnehmern beantwortet wird. Wissen Sie genau, wer Ihnen seine Beurteilungen und Wünsche mitgeteilt hat? Webinare machen es möglich, viele zusätzliche Informationen ihren Kontakten hinzuzufügen. Ob es sozio-demographische Daten sind oder Einschätzungen über zukünftige Planungen und Investments. Klare Sache: Die Webinare gehen in Front. 6:5 für Webinare.
Kosten und Kompetenzen. Das Spiel beginnt!
Zugegeben. Es ist ein knappes Rennen zwischen Roadshows und Webinaren. Wer das Spiel gewinnt, ist noch von mehr Faktoren abhängig. Die Zielgruppe, die adressiert werden soll. Der Kostenrahmen der zur Verfügung steht. Die Lead-Qualifizierung, die Vertriebskollegen erwarten. Aber eines ist klar.
Bleiben Sie dran. Es lohnt sich, immer wieder neu das Rennen zwischen Event und Webinar zu berechnen. Schreiben Sie mir, wenn wir darüber sprechen sollten.
Fröhliche Grüße aus dem Norden
Ihr
Martin W. Puscher

Martin ist der Geschäftsführer der PFG GmbH. Darüber hinaus ist er Autor und Moderator für Business- und Technologie-Themen. Seine Passion sind Themen, die klare Botschaften für den nutzbringenden Einsatz von künstlicher Intelligenz, Robotik und Sensorik im täglichen, privaten und beruflichen Leben.